Erste Insights: Retail Media bei Rewe
Der Trend zu Retail Media Werbeformaten nimmt immer mehr an Fahrt auf und bietet Herstellern und Einzelhändlern ein enormes Potenzial. Rewe hat sich diesem Trend angeschlossen und bietet ausgewählten Nutzern des rewe.de Online-Shops maßgeschneiderte Online-Werbung an. Wir waren eine der ersten Agenturen, die das neue Format getestet haben. Wir haben festgestellt, dass die Funktion von Rewe vielversprechend ist, aber wir sehen auch Verbesserungspotenzial, wenn es um die Details geht.
Dass Retail Media zum Marketing-Hype-Thema wurde, haben Handel und Hersteller Amazon zu verdanken: Der größte Onlinehändler der Welt ersetzte Bauchgefühl durch Daten und erfand damit das moderne Pendant zum Werbekostenzuschuss (WKZ). Anzeigen werden nicht mit der Gießkanne ausgespielt, sondern abhängig von Suchbegriffen oder Interessen. Man zahlt nur, wenn jemand auf die Anzeige klickt oder diese sieht. Und der Preis pro Klick wird – ähnlich der Google-Werbung – durch eine Auktion ermittelt.
Im Ergebnis können Werbekunden sehr klar nachvollziehen, welche Werbekosten welchen Zusatz-Umsatz generiert haben. Und der Händler kann in Summe deutlich mehr Geld mit seinen Werbeplätzen verdienen. Nehmen wir das Beispiel MediaMarkt: Zeigt der Elektro-Händler die Werbung des Hausgeräteherstellers Miele nicht allen Kunden an, sondern nur denjenigen, die ein Haushaltsgerät suchen, dürfte das für die Zahl der Klicks auf die Miele-Anzeigen kaum einen Unterschied machen – aber der Händler kann die Anzeigenplätze für alle anderen Suchbegriffe vom Smartphone bis zur Digitalkamera an passendere Anbieter vermarkten.
Rewe geht nun einen Weg, der an das System von Amazon angelehnt ist und nutzt dazu mit CitrusAd auch eine Plattform, die in ähnlicher Weise bereits bei anderen Händlern, z. B. im Vereinigten Königreich bei Tesco, im Einsatz ist. Mit dem System können Hersteller auf zwei Seitentypen werben: auf Kategorienseiten – z. B. „Babynahrung“ – und in der Liste der Suchergebnisse – z. B. für den Suchbegriff „Windeln Größe 5“. Abgerechnet wird wie bei Amazon pro Klick auf die Anzeige, der Preis wird durch Auktion ermittelt und das Mindestgebot pro Klick sind 50 Cent.
Lohnenswert ist das Angebot aus unserer Sicht für fast alle Marken, die ihren Umsatz bei Rewe steigern und ihren Produkten mehr Sichtbarkeit verschaffen wollen. Da Rewe keine Wettbewerbskeywords zulässt (ich kann als “Nusspli” nicht auf “Nutella” werben), sollte man sich auf generische Keywords („süßer Aufstrich“) konzentrieren. Es ist nicht notwendig, die eigene Marke als Keyword einzubuchen – da ohnehin kein Wettbewerber darauf bieten kann.
Zudem ist das Angebot aktuell auch noch für Unternehmen interessant, die frühzeitig mit recht wenig Konkurrenz Erfahrungen sammeln möchten. Will man beispielsweise Ende 2023 den erfolgreichsten Schoko-Weihnachtsmann im Onlineshop von Rewe anbieten, ist nun die richtige Zeit, mit dem Schoko-Osterhasen oder Valentinstags-Paket erste Erfahrungen zu sammeln. Auch für neue Produkte in einem Segment – beispielsweise ein Joghurt einer neuen Geschmacksrichtung — ist Retail Media ein spannender Kanal. Ich kann alle Joghurt-Interessierten erreichen, wenn sie sich gerade für eine Sorte entscheiden.
Wir waren als Agentur bereits unter den allerersten Testern – und zwar unter anderem für Unilever Deutschland sowie für Campari Deutschland und deren Marken Ouzo, Campari, Cinzano, Aperol, Bulldog und Skyy. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Die Anzeigen werden sehr prominent angezeigt, entsprechend gut waren Klickrate und Conversion Rate – also die Anzahl der Käufe im Verhältnis zu den Schaltungen.
Optimierungspotenzial gibt es aus unserer Sicht bei der Erstellung der Kampagnen, insbesondere im Bereich Keywords. Wir machen bei anderen Plattformen gute Erfahrungen mit Synonymen – oder Quasi-Synonymen. So sollte man einen bestimmten Sekt auch bei der Suche nach „Prosecco“ finden und auch Rechtschreibfehler (z. B. „Seckt“ oder „Prosseco“) sollten Kunden nicht vom Finden eines Produktes abhalten.
Zudem stellen wir für viele Marken auf vielen Plattformen fest, dass Kunden gar nicht die Suchergebnis-Seite abwarten: Sie tippen einige Buchstaben in das Suchfeld ein und wählen das Produkt aus den Vorschlägen unterhalb des Suchfensters aus. In unserem Fall bedeutet das: Man sollte die Werbung für einen Prosecco bereits in den Eingabe-Vorschlägen sehen, wenn man „Pros“ in die Suche eingibt. Sinnvoll wäre hier eine technische Lösung – aktuell muss man stattdessen auch das Keyword „Pros“ belegen.
Des Weiteren sind derzeit nur Keywords möglich, die sehr nah am Produkt liegen. Etwas mehr Spielraum wäre wünschenswert.
Als weiteres Anzeigenformat würden wir uns Cross- und Upselling-Möglichkeiten wünschen. So könnte man beispielsweise auf der Seite eines Gins ein Tonic Water bewerben, bei Tequila Zitronen und beim HSV-Fanartikel Tempo-Taschentücher.
Mehr Flexibilität wünschen wir uns bezüglich der Mindestgebote pro Klick. Bei vielen Produkten ist ein Mindestgebot von 50 Cent pro Klick ok – aber bei Produkten, die selbst nur einen Euro kosten, lohnt er sich nur selten.
Besonders reizvoll wäre aus unserer Sicht ein deutlich weitergehender Ansatz: eine Verknüpfung zu den klassischen Läden. Denn während der Rewe-Onlineshop laut EHI aktuell auf Platz 22 der größten Onlineshops in Deutschland zu finden ist, hätte man mit den Stores ein echtes „Brett“ für Werbungtreibende im Angebot. Da der Online-Anteil im Bereich Food immer noch überschaubar ist, wäre jetzt die Zeit, digitales Retail Media direkt als Multichannel-Anwendung aufzusetzen. Wer hier früh gute Lösungen entwickelt, hat die Chance, maximal vom Potenzial der digitalen Werbeformen zu profitieren.
Insgesamt gesehen ist Retail Media bei Rewe in der aktuellen Form ein guter Schritt nach vorne – und ein „testenswertes“ Angebot für alle Marken, die im Rewe-Onlineshop verfügbar sind. Nutzen Marken neben Rewe auch die entsprechenden Angebote von – je nach Sortiment – Händlern wie MediaMarkt, Douglas und Co., können sie sich auf Dauer einen relevanten Ergänzungskanal zur Werbung bei Amazon aufbauen.